… und mache dir so die wahren Kosten deines Lebensstils bewusst.
„Die Fülle des Möglichen ist der Feind des Wirklichen“ – Peter Amendt
In einem der letzten Posts habe ich mich mit der Frage beschäftigt, „was kostet dich dein Vanilla Latte wirklich?“. Mit diesem Post möchte ich das Thema der wahren Kosten noch etwas erweitern. Wir werden Opportunitätskosten näher betrachten und uns bewusst machen, dass diese eine große Hürde auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit darstellen können. Aber wenn wir uns Opportunitätskosten bei unseren täglichen Entscheidungen, nicht nur Kaufentscheidungen übrigens, bewusst machen, sind wir unserem Fyou Money schon ein großes Stück näher.
Was dich die TV Serie „Berlin Tag und Nacht“ (oder jede andere) wirklich kostet
Nehmen wir für unseren heutigen Beitrag eine fiktionale Person ohne reales Gegenstück. Für Anschauungszwecke. Ich nenne sie Chantal.
Chantal arbeitet bei einem Dienstleister im Beauty-Segment. Mit ihrem Einkommen ist sie nicht ganz zufrieden, kommt aber über die Runden. Da sie am Wochenende in den Clubs der Stadt gerne gut Gas gibt, lässt sie es nach Feierabend ruhiger angehen. Vor allem finanziell. Die Kosten für Cocktails und Co. im Sinn, entscheidet sich Chantal daher den Abend vor dem Fernseher zu verbringen. Chantals Lieblingssendung ist „Berlin Tag und Nacht“. Eine „Reality“ Soap, die jeden Tag läuft. Danach gibt es noch viele andere Formate, die Chantal ebenfalls bestens unterhalten. Und das beste: Das ist komplett kostenlos.
Aber ist es das wirklich? Klar, Chantal zahlt für den Empfang von RTL II kein Geld. Sie kann so lange und so oft ihre Lieblingssendungen schauen, wie sie mag. Ihre Helden aus dem Berliner Bildungbürgertum flimmern täglich kostenlos in ihr Wohnzimmer. Sicher, die Produktion kostet Geld. Und die „Schauspieler“ fordern Gage, aber das kommt ja durch Werbesendungen wieder rein. Chantal ist hier die klare Gewinnerin.
Was jedoch Chantal hier als kostenlos bezeichnet, ist lediglich das Nichtvorhandensein eines monetären Mittelabflusses. Kosten können jedoch auch zunächst non-monetär sein (und gegebenenfalls erst später monetär werden).
Chantal bezahlt hier zunächst mit ihrer Zeit. Während ihrer Serien ist ihre gesamte mentale Aufmerksamkeitskapazität auf die Geschehnisse im TV gerichtet. Das bedeutet also: Mit der Entscheidung zwei Stunden (oder sogar vier, wie der deutsche Durchschnittsbürger) pro Tag fernzusehen, entscheidet sie sich explizit gegen jegliche alternative Tätigkeit. Nehmen wir an, Chantal könnte ihre Kompetenzen, die sie in der Beauty-Branche erlernt hat, auch selbstständig ausüben. Beispielsweise, in dem sie nach einer Schicht noch zwei Stunden lang private Kunden versorgt. Angenommen eine Behandlung kostet pro Stunde 50 Euro. Dann verzichtet Chantal mit der Entscheidung pro TV auf die Möglichkeit zum Nebenverdienst. Und auf 100 Euro. Ihr Feierabend vorm Fernseher ist also nicht for free sondern kostet sie 100 Euro. Dazu kommen weniger einfach zu beziffernde Kosten. Durch die Ausübung ihrer Nebentätigkeit könnte sie sich Stück für Stück ein Kundennetz aufbauen. Und eines Tages würde Chantal vielleicht die „Chantal Beauty Franchise GmbH“ gründen und sehr wohlhabend werden. Das wird sie aber nicht, weil sie lieber „Berlin Tag und Nacht“ schaut. Das ist zwar sehr hypothetisch aber muss in die wahren Kosten ihrer Entscheidung mit einfließen.
Das Konzept der Opportunitätskosten – und warum es so schwer in den Alltag zu integrieren ist
Opportunitätskosten sind erstmal keine realen Kosten, sondern ein ökonomisches Konzept. Es dient der Quantifizierung entgangener Alternativen. Umgangssprachlich lassen sich Opportunitätskosten auch als „Kosten der Reue“ bezeichnen. Das liegt daran, dass durch die Entscheidung für eine Alternative oft automatisch eine andere ungenutzt bleiben muss. Wenn ich mir ein Haus baue und selber drin wohne, sind die entgangenen Mieteinnahmen meine Opportunitätskosten. Es geht bei dem Konzept also immer um eine Wahl und den daraus entstehenden Verzicht auf die Alternative. Wenn ich 100 Euro besitze und davon Schuhe kaufe, kann ich sie nicht mehr für eine neue Jacke ausgeben. Wenn ich eine Stunde fernsehe, kann ich die Stunde nicht mehr für Sport nutzen.
Es wird offenbar, dass sich Opportunitätskosten manchmal einfach beziffern lassen und manchmal nur sehr schwer. Ein Beispiel für einen einfachen Fall ist ein Mensch, der pro Stunde bezahlt wird und annahmegemäß unbegrenzt viele Stunden jeden Tag arbeiten darf. Entscheidet sich diese Person zwischendurch eine Stunde zum Spinningkurs zu gehen, kostet ihn diese Stunde einen Stundenlohn. Das ist kein Urteil darüber ob er das tun sollte oder nicht, sondern lediglich eine objektive Kostenbeurteilung. Dagegen sind die Kosten für einen Angestellten, der sich mit Freunden zur Happy Hour trifft, schwieriger einzuschätzen. Im ersten Schritt sind da die 10 Euro für zwei Caipis. Dann sind da jedoch noch zwei Stunden, die er nicht anders verbringen kann. Vielleicht hätte er zwei Stunden damit verbracht ein Buch über richtiges Investieren zu lesen. In 5 Jahren hätte ihm dieses Wissen vielleicht mehrere tausend Euro gebracht. Das Konzept der Opportunitätskosten ist also komplex. In diesem Fall lässt es sich aber auf die alte Weisheit runterbrechen „Zeit ist Geld“.
Wie hilft mir das Konzept der Opportunitätskosten beim Aufbau meines Fyou Moneys?
Nun, zunächst einmal hilft es, sich intensiv Gedanken über das Konzept zu machen. Es ist eines dieser „Easy to learn, hard to master“ Dinge. Klar werden die meisten Menschen sagen: „Ok, klar verstehe: Wenn ich 10 Euro für Cocktails ausgebe, kann ich die gleichen 10 Euro nicht für Brot ausgeben.“ Und das ist auch korrekt. Aber halt nur ein Teil des Konzepts und seiner Implikationen. Es lässt sich darauf ausweiten, wie ich meine Zeit verbringe. Bringt mir meine jetzige Tätigkeit einen Return? Lese ich ein Buch oder Blog, der mich als Person wachsen lässt oder spiele ich Playstation? Und wenn ich Playstation spiele, dann ist das ja nichts falsches. Ich muss mir dessen, was ich dafür aufgebe, bloß bewusst sein.
Daher hier mein Tipp: Versuche in den kommenden 10 Tage dir Opportunitätskosten in deinem Alltag immer wieder bewusst zu machen. Wenn du dir ein Abendessen für 50 Euro gönnst, mach dir bewusst, dass diese 50 Euro angelegt in 10 Jahren 108 Euro sein könnten. Die Opportunität ist also die Geldanlage. Werde dir bewusst, dass auch deine Zeit Opportunitätskosten hat: Anstatt zwei Stunden zu faulenzen, könntest du zwei Stunden in deine Fortbildung investieren.
Du wirst feststellen, nach kurzer Zeit fixiert sich das Konzept der Opportunitätskosten in dein Denken und du triffst Entscheidungen anders. Du denkst nicht nur über die momentanen, expliziten Kosten des Kaufs nach, sondern denkst über die Alternativen nach. Du lernst deine Zeit wertzuschätzen. Das sind wichtige Schritte um deine Finanzen und deine Zeit zu prioritisieren und Verantwortung für sie zu übernehmen.
Gedanken oder Anregungen zum Thema? Hinterlasse gerne einen Kommentar!
Cheers.
Hi Pascal,
über Opportunitätskosten denkt man als Selbstständiger ständig.. auch ich habe mich schon dabei erwischt, auszurechnen was mir wohl gerade an Geld entgeht, weil ich irgendetwas nicht ganz so „rentables“ mache, wie z.B. Sport oder bei Verwandten oder Freunden einen Tee zu trinken.
Ich finde, es ist einerseits wichtig wie du sagst, diese „Rechnung“ zu kennen und immer im Hinterkopf zu haben, was 4 Stunden RTL2 einen eigentlich kosten, auf der anderen Seite darf man es aber auch nicht übertreiben, denn kein Mensch kann 24/7 produktiv sein, so gibt es einfach auch Zeit, die in der Betrachtung der Opportunitätskosten vergeudet scheint, in anderer Betrachtung allerdings unverzichtbar ist (Stichwort Burnout).
Vielen Dank für den Artikel, jetzt kenne ich das Kind auch beim Namen 🙂
Hallo Johannes,
danke für dein Beispiel der Selbstständigkeit. Dieses eignet sich besonders gut zur Veranschaulichung von Opportunitätskosten. Während beispielsweise bei einem Angestellten die Funktion zwischen einer Überstunde mehr und Nutzen in Form von Gehalt nicht immer linear ist, ist dieser Zusammenhang bei Selbstständigen sehr stark ausgeprägt. Man könnte immer noch etwas machen, wovon man weiß, dass es sich monetär auszahlen würde.
Wie du anmerkst, braucht man allerdings auch Ruhephasen und kann nicht 24/7 schuften. Hier hilft es sich Opportunitätskosten nicht nur in monetärer Form vorzustellen. Wenn du bspw. noch eine Stunde zusätzlich schuftest, zahlst du das mit einer Stunde weniger Zeit mit der Familie. Diese Stunde würde dich entspannen und deine Batterien aufladen. Diese Energie fehlt dir am nächsten Tag und du kannst deine Arbeit nicht mehr in der gewohnten Qualität abliefern, dein Kunde ist enttäuscht und bestellt nicht mehr.
Der Zusammenhang des „Was gebe ich auf?“ ist also nicht bloß aus finanzieller Sicht interessant.
Danke für deinen Kommentar und einen guten Rutsch
Pascal