Freitagsgedanken zu Behavioral Finance: Market Timing

Behavioral finance

Market Timing scheint eines der faszinierendsten und populärsten Themen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Finanzwelt zu sein. Und das nicht ohne Grund: Wer die Launen des Marktes vorausahnen kann, dem stehen unermesslicher Reichtum und Ruhm offen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich unzählige mehr oder weniger wissenschaftliche Modelle dessen annehmen. Bei vielen Autoren von vermeintlichen Strategien zum outperformen des Marktes oder Anbietern von fancy Charttechnik handelt es sich jedoch um Scharlatane. Sie geben vor ihr Geld mit Market Timing zu verdienen, in Wahrheit jedoch machen sie Profit mit menschlichen Emotionen. Die Aussicht eine Möglichkeit gefunden zu haben, die Massen auszutricksen und den Markt zu schlagen scheint bei vielen den Verstand auszuschalten. In der heutigen Ausgabe der Freitagsgedanken zu Behavioral Finance beschäftige ich mich mit Market Timing und damit verbundenen Emotionen.

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Only liars manage to always be out during bad times and in during good times.“ – Bernard Baruch

In der letzten Buchempfehlung zu André Kostolany’s „Die Kunst, über Geld nachzudenken“, habe ich kurz das Ei des Kostolany vorgestellt. Kurz zusammengefasst stellt es die immer wiederkehrenden Marktphasen dar. Laut Kostolany, und den Erfahrungen aus Jahrhunderten Börsengeschichte, ist der Markt geprägt von Hausse und Baisse, Auf und Ab. Nach jeder Übertreibung kommt sicher der Krach.

Max Otte und die sieben Propheten

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Das Problem ist nur: Das Ei des Kostolany sagt nichts über Timing aus. Es zeigt lediglich die verschiedenen Phasen auf, verrät uns aber nicht wie wir sie identifizieren und vorausahnen. Das Ei des Kostolany ist also manchmal eher eine Pizza des Kostolany, dann wieder eine Aubergine des Kostolany und geht schließlich in den Football des Kostolany über. Folgerichtig gab der Altmeister der Spekulation nie vor, Market Timing zu beherrschen. Im Gegensatz: Er schimpfte unentwegt auf die, die vorgeben in die Zukunft schauen zu können.

Von solchen Kaffeesatzlesern gibt es leider eine unheimliche Menge. Die einen geben sich einen pseudo-wissenschaftlichen Anstrich und betreiben Charttechnik-Webinare auf Finanzen.net. Anderen wiederum, wie Max Otte, genügt es nur laut genug zu schreien. Ein paar dumme werden schon zuhören. Die Menschen waren schließlich schon immer von simplen Wahrheiten auf dem Weg zum Reichtum fasziniert. Und wenn man andauernd „Crash! Crash!“ ruft, hat man halt irgendwann Recht. Man muss nur die Leute lange genug bei der Stange halten. Wobei es diesen selbsternannten Propheten dann eigentlich egal ist, ob der Crash kommt. Die Anlagetipps, Bücher und Seminare sind schon längst verkauft und ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

Behavioral Finance Konzepte zum Market Timing

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Eine wichtige Emotion um irrationales Anlegerverhalten zu erklären, haben wir bereits kennengelernt: Overconfidence / Selbstüberschätzung. Investoren neigen dazu, ihr eigenes Können zu überschätzen. Bestärkt wird diese Emotion, indem ein Investor einige Male tatsächlich Recht behalten hat. Dabei muss diese Selbstüberschätzung nicht mal auf der hinterlistigen Intention anderen Investoren etwas vormachen zu wollen basieren. Vielmehr entwickelten viele vermeintliche Gurus aufwendige Analysesysteme. Beispielsweise bauen sie bunte Charts mit vielen Linien, Kurven und Balken. Danach geben sie ihnen wohlklingende Namen á la Candlesticks, Point & Figure und Runaway Gaps. Plötzlich sehen sie lauter Muster und Raketen und meinen in dem Gekritzel Trends ablesen zu können. Entweder gelten diese Trends für einzelne Aktien oder aber sogar für die gesamte Wirtschaft. Erstaunlich. Viel erstaunlicher finden das dann aber alle, wenn es tatsächlich mal funktioniert. Und dann noch einmal. Und noch einmal. Und schon ward ein neuer Stern am Anlagehorizont geboren und die Massen rennen dem Guru die Türe ein. Wollen seine Analysen kaufen und sein neustes Manifest erwerben. Die meisten dieser Sterne verglühen schnell und verschwinden vom Himmelszelt. Ihre Schäfchen haben sie häufig bereits ins Trockene gebracht, die enttäuschten Anhänger suchen nach einer neuen Sternschnuppe.

Weitere Konzepte der Behavioral Finance, die sich mit Market Timing beschäftigen, sind Simplification und Anchoring. Wenn sich ein Investor das Ei des Kostolany vornimmt und beschließt den derzeitigen Stand des Marktes darauf zu positionieren, leidet seine Wahrnehmung häufig an Anchoring-Effekten. Die Einschätzung der Gegenwart und die Vorhersagen für die Zukunft können gedanklich nicht von den Erfahrungen der Vergangenheit getrennt werden. Wenn ein Anleger den Crash von 2007 an der Börse miterlebt hat, so sind seine Erwartungen für die nächste Krise davon geprägt. Nähert sich der DAX dem Wert von damals, wird daher eine Korrektur erwartet. Man versucht Muster in den Kursbewegungen zu entdecken, die in der Vergangenheit Krisen vorausgingen. Die daraus gezogenen Schlüsse, basieren nur in den seltensten Fällen auf ökonomischen Überlegungen. Sie sind lediglich Anker der Vergangenheit. Ihre Projektion auf zukünftige Marktentwicklungen scheint nur selten zu gelingen.

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Ein anderes Konzept, diesmal im Zusammenhang mit gedanklicher Vereinfachung, ist die Kategorisierung. Um Marktanalysen zu vereinfachen und komplexe Entscheidungen schneller treffen zu können, neigen Menschen dazu Gruppen zu bilden. Im Alltag tritt das Phänomen häufiger auf. Wir unterteilen Menschen beispielsweise in Amerikaner, Europäer und Afrikaner etc. Schon bevor wir einen Vertreter aus diesen Kategorien tatsächlich treffen, formen sich in unseren Köpfen grobe Erwartungen bezüglich Aussehen, Verhalten und Vorlieben dieser Person. Während dies für den Durchschnitt der Menschen der jeweiligen Kategorie zutreffen mag, kann das Individuum komplett davon abweichen.

Diese Tücke scheint sich auch an der Börse zu zeigen. Investoren sind hier mit der Qual der Wahl konfrontiert. Gerade Privatanleger müssen begrenzte finanzielle Mittel auf eine schier unendliche Anzahl an Finanztiteln allokieren. Um dies zu vereinfachen, werden Kategorien gebildet. Mittlerweile gibt es allerdings auch davon eine Vielzahl. Wir sprechen hier von Kategorien wie Value-Aktien, Dividenden-Aristokraten, Wachstumstitel, Proven-Winner, Tech-Titel, you name it.
Die am weitesten verbreitete Kategorisierung sind Indizes. DAX, S&P 500 und NIKKEI setzten sich zwar auf der Grundlage fest definierter Regeln zusammen, stellen jedoch trotzdem weitestgehend willkürliche Ansammlungen an Unternehmen dar. Ist Bayer ähnlich zu analysieren wie die Deutsch Bank, nur weil beide groß sind? Wohl kaum. Und dennoch lässt sich empirisch nachweisen, dass die Kurse von Unternehmen nach einer Aufnahme in den S&P 500 stärker mit dem Index synchron verlaufen als vorher. Das ist im Rahmen der Effizienzmarkthypothese nicht zu erklären. Durch Indexfonds wird das Phänomen noch verstärkt. Die Korrelation zwischen dem Return der Aktie und dem Index steigt, ohne dass es dafür scheinbar eine fundamentale Erklärung gibt.

Das Fazit für dein Fyou Money

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Market Timing ist einer der großen Träume sowohl von Privatanlegern als auch den großen institutionellen Investoren. Leider bleibt Market Timing allerdings genau das: Ein Traum. Market Timing kann verlässlich reich machen, aber leider nur diejenigen, die sich den Massen glaubhaft als neuer Guru verkaufen können. Allen langfristigen Finanzpiraten sei daher geraten: Habt bei Analysen ein Auge auf eure Emotionen und akzeptiert, dass ihr nicht in der Lage seid, den Markt zu timen. Stay humble und zahle durch solche Spekulationen nicht unnötig Lehrgeld.

Und das Beste zum Schluss: Als langfristiger Investor mit weitem Anlagehorizont musst du dir um Market Timing auch gar keine Gedanken machen. Ob das Ei des Kostolany momentan ein Ei ist, oder doch eine Papaya, ist die vollkommen Schnuppe. Du hast die Segel deines Piratenschiffes gesetzt und lässt dich vom Wind treiben. Du weißt, dass es eine lange Reise werden wird, durchsetzt von Höhen und Tiefen. Mal wird die Sonne scheinen und die finanzielle Freiheit scheinbar am Horizont winken und schon kurze Zeit später reißen die Segel und eine stürmische See treibt dich viele Kilometer weit weg von deinem Ziel. Doch du weißt: Langfristig wächst die Wirtschaft und der Wind wird dich ans Ziel bringen. Gegen den Wind anzukämpfen oder seine morgige Richtung zu erraten, ist eines Piraten nicht würdig.

 

Cheers.

Für’s bis zum Ende lesen, noch ’ne Piratenkatze für dich:

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4 Kommentare

  1. Hi Pascal,

    der schnelle Weg zum Reichtum ist sehr verlockend. Ich hatte das Glück, dass ich von Beginn an auf die richtigen Kanäle stieß. Mit der Charttechnik habe ich mich kurz beschäftigt, sah aber meine Zeit nicht gut investiert. Der langfristige Anlagehorizont ist hingegen nachhaltig und still. Und alles was still ist, hat mich schon immer fasziniert.

    LG
    Johannes

    • Hi Johannes,

      der Punkt mit der Stille gefällt mir sehr gut 🙂
      Ich habe mich auch kurz mit Charttechnik beschäftigt, denn schließlich erscheint sie auf den ersten Blick verlockend und scheint Sinn zu machen. Wenn man sich näher damit auseinandersetzt. fällt das Hokus-Pokus Kartenhaus aber schnell in sich zusammen.

      Beste Grüße
      Pascal

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  3. Hallo Pascal,

    Timing ist nicht gleich Timing. bei Day Trading bin ich sicherlich Deiner Meinung, aber langfristige Trends gehen schon. Oder irrt Buffett, wenn er über 100 Mrd. bar liegen lässt? Ich bin zu 90% gehedged und erhöhe die Shorts bspw. bei allen 500 Punkten DAX nach unten. Im Moment ist sicher zu hoch, aber wenn es knallt weiß ich natürlich nicht. Da bin ich wieder bei Dir.

    Grüße, Alex

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