Du verdienst nicht unbedingt, was du nicht verdienst

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Wie gerecht ist diese Welt? Am Stammtisch kommt der Gerechtigkeitszustand der Welt im Allgemeinen gar nicht gut weg. Der Winterkorn verdiene viel zu viel, während sich der Durchschnittsbürger trotz Maloche mit einem dürftigen Lohn abfinden müsse. Doch es gibt auch andere Meinungen: Madame Moneypenny behauptet, dass die Welt fairer ist, als die Mehrheit es annehmen würde. Sie bezieht sich damit vor allem auf die Lohnstruktur. Wer der Gesellschaft großen Nutzen stiftet, der würde am Ende dafür auch monetär belohnt werden. Dagegen müssten sich Fritten-Frittierer eben mit wenig abfinden. Das klinge hart, sei aber eigentlich sehr fair. Man müsse sich nur etwas anstrengen. Jeder ist seines eigenes Glückes Schmied.

Nataschas Artikel hat einiges an Wellen geschlagen. In der Kommentarsektion ihres Blogs zeigen sich einige Leser enttäuscht. Zu neoliberal sei der Artikel. Einzelsituation würden durch sie nicht zur Genüge gewürdigt. Und mit der sozialen Mobilität sei es in der Realität dann eben doch nicht so einfach. Beim Thema soziale Gerechtigkeit kochen die Gemüter schon mal hoch.

Die Denkfabrik hat so denn auch gleich eine Antwort zu dem Artikel geschrieben. Johannes kritisiert hier die „widersprüchliche und teilweise oberflächliche Argumentation“. Auch in den Kommentaren geht die Diskussion weiter. Die Thematik scheint einen Nerv getroffen zu haben. Um die Diskussion unter Bloggern in geordnetere Bahnen zu lenken, hat der Hobbyinvestor eine Blogparade zur „sozialen Gerechtigkeit“ vorgeschlagen. Gerne möchte auch ich meine Gedanken zu dem Thema beisteuern.

Ich sitze gerade auf dem Flughafen Amsterdam – Schiphol. Mein Anschlussflug zurück nach Berlin verspätet sich. Mal wieder. Aber gut, nach drei Wochen Urlaub, erscheint mir der Flughafen ein geeigneter Ort zu sein, über soziale Gerechtigkeit nachzudenken.

Aus „Du verdienst, was du verdienst“ lässt sich kein Umkehrschluss herleiten

„Du verdienst, was du verdienst“ – ein schönes Zitat. Ich habe viel darüber nachgedacht. Es geht in die Richtung „Eigenverantwortung übernehmen„, aus dem Trott des Klagens und Seditierens auszubrechen. Und ausbrechen funktioniert laut Natascha nur, indem man endlich akzeptiert, dass man sein eigenes Leben lenken kann. Wenn der aktuelle Job nicht gut zahlt, dann musst du dir halt einen neuen suchen. Es „zwingt“ dich schließlich niemand diesen Job auszuüben.

Das Leben selbst in die Hand nehmen, Eigenverantwortung übernehmen, weniger klagen und mehr arbeiten –  Das sind Aussagen mit denen ich d’accord gehe. Dennoch muss man meiner Meinung nach diese Aufforderung von der Feststellung, jeder würde „verdienen, was er oder sie verdient“, trennen.

Drei Wochen war ich gerade in den USA. Ich habe auch bereits dort gearbeitet. Und werde es wieder tun. In den USA sind soziale Unterschiede noch einfacher sichtbar, als bei uns. Für einen Europäer mag die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Anspruch in den USA absurd erscheinen. Ganze Schichten sind sozial abgehängt – dennoch ist die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs, der „American Dream“, so tief im amerikanischen Gemüt verwurzelt, wie kaum ein anderes Versprechen. Wer hart arbeitet, der wird Erfolg haben.

Doch der amerikanische Traum steckt in einer Krise. Ein Thema, das dort derzeit lebhaft diskutiert wird. Scheinbar reicht harte Arbeit, ein guter Studienabschluss und Geduld nicht mehr aus. Die Mittelschicht ächzt unter Studienkrediten und scheint es nur noch selten zu signifikanten Wohlstand zu bringen. Verdienen sie es nicht mehr?

Dazu kommen soziale Probleme. Minderheiten haben es noch immer schwer. Natascha, sagt in einem Update, dass sie sich natürlich im Klaren ist, dass Einzelschicksale zu einer Benachteiligung führen können. Deshalb den Grundtenor ihres Beitrags zu hinterfragen sei ungerecht. Da stimme ich zum Großteil zu. Aber was, wenn ganze Bevölkerungsgruppen systematisch benachteiligt werden? Dann wird „du verdienst, was du verdienst“ zu purem Hohn.

Dennoch macht dieser Umstand Nataschas Post nicht weniger wertvoll. Teil der Diskussion muss aber das Eingeständnis sein, dass die meisten von uns ein priviligiertes Leben führen. Dafür muss man sich nicht entschuldigen, doch man muss es verstehen. Man muss verstehen, dass dieser Umstand die Diskussion mit Menschen mit einem anderen Hintergrund beeinflusst. Ich glaube, wir überschätzen oftmals, wie sehr wir etwas „verdienen“. Stichwort: „over-confidence“.

Du hast acht Jahre hart gearbeitet und erzielst jetzt ein ordentliches Gehalt? Du musstest auf deinem Weg auf viel verzichten und hast es dennoch durchgezogen? Gute Sache, beide Daumen hoch. Ich hinterfrage keinen Cent deines Gehalts. Doch der Umkehrschluss, dass Menschen, die nicht so viel Geld mit nach Hause bringen, eben nicht so viele Opfer gebracht hätten ist fragwürdig. Haben sie sich in ihrer „Opferrolle“ versteckt? Es daher einfach auch nicht verdienen, viel zu verdienen? Das ist schlichtweg falsch. Und das gilt nicht nur in Einzelfällen.

Meine VWL Vorlesungen habe ich sehr genossen. Die Welt aus der Sicht der Makroökonomie (zumindest in den ersten Semestern) ist simpel. Alles hat seinen Wert und Nutzen. Input führt zu Output. Wenn ich X reinstecke, bekomme ich am Ende Y raus. Sweet.

Die echte Welt funktioniert so nicht. Nicht jeder Nutzen lässt sich hier monetär darstellen. Nicht jeder Marktteilnehmer startet mit X Ressourcen. Die Input/Output Gleichung unterscheidet sich signifikant zwischen Menschen. Die Gleichung hat einen ganzen Haufen an Unbekannten. Unbekannte, für die ich nicht planen kann. Das Leben ist dafür zu komplex. Nicht jeder kann sein Leben nach belieben „lenken“. Pläne schmieden, den Beruf wechseln, kreativ sein, nicht jeder kann das umsetzen. Und einige wollen der Gesellschaft einen „Mehrwert“ bringen, der sich eben nicht monetär niederschlägt.

Warum Madame Moneypenny dennoch (tlws) Recht hat

Nun gut, das Leben ist also nicht perfekt planbar. Es gibt einen Haufen Einzelschicksale. Teilweise sogar enorme Gruppenschicksale. Einfach mal mehr „Mehrwert“ schaffen ist zu kurz gegriffen. Der Umkehrschluss nach dem Motto: „Ich habe viel geleistet und verdiene viel Geld, daher haben alle die nicht viel Geld verdienen auch automatisch weniger geleistet“ ist schlichtweg falsch.

Dennoch spricht Natasche in ihrem Post enorm wichtige Punkte an. Wir alle können einen Teil unseres Leben zu jedem Zeitpunkt ein stückweit lenken. Wir können Eigenverantwortung übernehmen. Wir können aufhören uns über Dinge zu beklagen, die wir nicht ändern können. Wir können uns Ziele setzen und diese gnadenlos verfolgen. Wir können offener sein für Alternativen zu unserem derzeitigen Leben. Wir können uns aktiv Gedanken machen, wie wir unseren Mehrwert für die Gesellschaft auch in einen monetären Benefit ummünzen können.

Klar, die Gleichung hat viele Unbekannte. Es wird nicht automatisch klappen. Mehr Nutzen, mehr Arbeit wird nicht unmittelbar zum Erfolg führen. Doch – und das ist der wichtige Punkt – wenn die Zukunft auch zum Großteil nicht beeinflussbar ist, so liegt es dennoch in unserer Verantwortung alle Variablen zu steuern, die wir steuern können. Für diese Faktoren müssen wir Verantwortung übernehmen. Und wenn wir nicht zufrieden sind, müssen wir alle steuerbaren Variablen erneut überprüfen.

Wenn es am Ende dann doch nicht zum erhofften Ergebnis kommt – nun ja – that’s life.

Cheers.

 

4 Kommentare

  1. Moin Pascal,
    trifft so ziemlich meine Meinung!

    Unbestritten muss man mit Leistung vorangehen, um es zu etwas bringen zu können. Keine Frage. Und oft kann man durch entsprechende Mehr-Leistung auch weiter kommen als andere, die es gemütlicher angehen lassen. Nur ist das eben nicht pauschal so, wie es in Nataschas Artikel teilweise suggeriert wird. Das war mir einfach zu plump. Die differenzierteren Betrachtungen hier, bei Johannes und in vielen Kommentaren zu dem Thema gefallen mir da besser. Gut, dass der Hobbyinvestor dem ganzen durch die BlogParade den nötigen Raum gibt.

    Danke dafür!

    Beste Grüße
    Vincent

  2. Schöner differenzierter Beitrag, dem ich so zustimmen kann. Festzustellen das nicht alle Variablen für jeden gleich sind, heißt ja nicht doch alles zu versuchen und das Beste aus jeder Situation zu machen. Manches mal wächst man dann sogar über sich hinaus.

  3. Hi Pascal,

    du beschreibst die Denke dahinter sehr gut. Mir gefällt vor allem dein Bezug zu den USA. Es ist sehr einfach, immer in Ursache und Wirkung zu denken und ich glaube, dass ist eine sehr große Stärke von vielen Unternehmern und Ökonomen. Es ermöglicht eine klare Aussagen, vergisst aber andere Faktoren. Die Makroökonomie ist ein gutes Beispiel für Ursache-Wirkung. Andererseits: Ok, ein Modell ist halt eine einfache Darstellung der Realität. Nur: Wie realitätsnah sind die Modelle? Das ist uns spätestens seit 2007/08 klar. Natascha hat in ihrer Kernaussage, die wir auch schon oft diskutiert haben, sicher recht. Eigenverantwortung bringt dich weiter. Für mich war das Problem die Nutzenkomponente und nicht soziale Gerechtigkeit (dazu kommt noch extra ein Beitrag), denn Nutzen kann man nicht einfach an den Verdienst koppeln.

    Schöner Beitrag, der mit guten Beispielen auch die Argumente der ganzen Motivationsheinis durchbricht. Natürlich motivieren sie, aber reduzieren Sachverhalte auf einfache Formeln.

    lg
    Johannes

  4. Hallo Pascal,

    richtig ist, dass wir das alles TEILWEISE lenken können. Eigenverantwortlichkeit, Ehrgeiz usw sind die Parameter, die dich da nach vorne bringen können.
    In unserer Gesellschaft ist es nicht möglich, dass jeder zu Wohlstand und Reichtum gelangen kann. Wer das verspricht, der lügt. Solange in unseren Köpfen verankert ist, dass wir für 30 Euro nach London fliegen möchten, muss es auch jemanden geben, der für den Mindestlohn die Toilette sauber macht. Solange diese Einstellung besteht, bleibt alles wie es ist.

    Vielleicht dein stärkster Beitrag unter den starken Beiträgen. Besten Dank!

    Schöne Grüße
    Marco

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