Jahrzehntelang wurde BWL-Studenten die Theorie von effizienten Märkten und rational entscheidenden Investoren eingetrichtert. Der Behavioral Finance Ansatz stellt den Homo Oeconomicus in Frage und bietet interessante Implikationen auch für Privatanleger. In dieser Ausgabe der Freitagsgedanken geht es darum, wie deine Emotionen dich zu einem schlechten Investor machen können.
„Personal finance…is more personal than it is finance“ – Tim Maurer
Die Geschichte von effizienten Märkten und rationalen Menschen
Jedem Studenten der Wirtschaftswissenschaften wird der Name Fama etwas sagen. Fama entwickelte Ende der sechziger Jahre die Theorie effizienter Märkte und wurde dafür 2013 mit dem Nobelpreis gekrönt. Die Popularität des Modells spiegelt sich in jeder Vorlesung zur Finanzierung wider. Zusammenfassend liefert das Modell von Fama Gründe für die scheinbar zufällige Entwicklung von Aktienkursen.
Fama machte insbesondere die Idee von „eingepreisten Informationen“ bekannt. Sie fußt darauf, dass an den Finanzmärkten Millionen von professionellen Investoren handeln, neu verfügbare Informationen sofort auswerten und entsprechend kaufen oder verkaufen. Sobald also beispielsweise ein neuer Jahresabschluss eines Unternehmens veröffentlicht wird, sind die darin enthaltenden Informationen auch schon in den Aktienkurs eingeflossen. Das heißt aber auch: Durch das Lesen des Berichts kann ich als Privatinvestor keinen Vorteil genießen. Jegliche Informationen sind bereits im Aktienkurs abgebildet.
Jedoch müssen Informationen auch bewertet werden. Wenn Firma 1 bekannt gibt, in ein neues Produktsegment zu investieren, kann das von Investor A als positiv und gleichzeitig von Investor B als negativ angesehen werden. Das ist aber kein Problem, denn hierfür gibt es ja die Börse. Investor A möchte seinen Anteil an Firma 1 erhöhen. Investor B möchte verkaufen. Der Preis auf den sich die beiden Investoren einigen, stellt den neuen Aktienkurs dar. Durch das Aufeinandertreffen von Millionen von Investoren ergibt sich somit ein Kurs, der der durchschnittlichen Bewertung aller Marktteilnehmer entspricht.
Dies impliziert ist eine gute und eine schlechte Nachricht für Privatanleger. Die Gute lautet: Es ist eigentlich egal wann man als Privatanleger eine Aktie kauft, denn der aktuelle Kurs ist immer fair. Es gibt an der Börse keinen Sommerschlussverkauf, keine Rabattaktionen oder Super-Freitage. Der aktuelle Kurs spiegelt stets die gewichtete Meinung aller Marktteilnehmer wider und alle öffentlichen Informationen sind bereits eingepreist. Die Schlechte: Durch Lesen des Handelsblatt-Tickers oder vermeintlicher Aktien-Empfehlungen kann man seine Rendite wohl kaum steigern. Wenn ich um 13:23 Uhr eine neue Unternehmensinfo im Internet lese, war diese bereits um 13:20 Uhr veraltet. War sie wertrelevant, so sind ihre Implikationen bereits im Aktienkurs enthalten.
Der Markt hat immer Recht und Random Walk bestimmt die Kurse
Wir halten also fest: Indem an Börsen die Meinungen aller Marktteilnehmer zusammenkommen, sind Aktienkurse die beste Näherung für den „wahren“ Wert eines Unternehmens. Der Aktienkurs kann nur durch zukünftige, also neue, Informationen beeinflusst werden. Hier liegt allerdings die Krux: Wer kann schon in die Zukunft blicken? Ich kann es nicht und ich bezweifel, dass einen das Tragen eines Nadelstreifenanzuges dazu ermächtigt. Dies wiederum führt uns zu unserer alten Weisheit „Stay humble, my dear friend„. Stock picking macht unter diesem Gesichtspunkt einfach keinen Sinn. Eine „Gewinner-Aktie“ aus allen verfügbaren Aktien herauszupicken, würde nur durch Insider-Informationen gelingen. Alle anderen Informationen werden durch professionelle Investoren viel schneller verarbeitet. Der Verlauf von Aktienkursen stellt daher einen sogenannten Random Walk dar: er lässt sich nicht vorhersagen. Also, stay humble und lass es sein. Oder sei dir zumindest bewusst, dass du gerade zockst.
Adam Monk – Selbst ein Affe kann besser in Aktien investieren als du!
Die Chicago Sun Times hatte für mehrere Jahre einen speziellen Mitarbeiter für ihre Wirtschaftsredaktion: Den Affen Adam Monk. Adam interessierte sich insbesondere für den Aktienmarkt. Und so ließ die Redaktion ihn jeden Januar über mehrere Jahre hinweg sein eigenes Portfolio auswählen. Man gab ihm einen Bleistift und das Wall Street Journal. Adam kreuzte seine Empfehlungen an und die Redaktion kaufte ihm die Wertpapiere. Und siehe da: Mehrere Jahre lang lag Adams Performance weit über dem Durchschnitt der Fondsmanager und schlug die Entwicklung des Dow Jones.
Was lehrt uns das? An der Theorie von Fama scheint etwas dran zu sein. Fondsmanager führen zeitintensive Analysen durch und verlangen für ihre Arbeit viel Geld. Und doch können sie den Markt (oder einen Affen) nur selten schlagen. Auf lange Sicht sogar fast nie!
Das ist ein unglaublich gutes Argument für passives Investieren mit ETFs. Wenn ein Fondsmanager mit tollem Abschluss und massig Know-How den Markt nicht zu schlagen vermag, warum sollte ich ihm dann eine Provision zahlen? Mein Geld kostengünstig in den Markt zu investieren erscheint deutlich sinnvoller.
Warum Menschen dennoch immer direkt in Aktien investieren werden und Fondsmanager nicht arbeitslos werden
Der seit den 80er Jahren vor allem in den USA an Popularität gewinnende Forschungsbereich Behavioral Finance integriert Psychologie und Soziologie in die Finanzwissenschaft. Im Zentrum der Forschung steht die Frage, wie Menschen Anlageentscheidungen treffen. Die Erkenntnisse widersprechen dabei dem Modell des „Homo Oeconomicus“, dem effizient und rational denkenden Menschen. Den Ergebnissen der Behavioral Finance zufolge, treffen Investoren Anlageentscheidungen häufig emotional. Und das führt oft zu einer Rendite, die gegenüber der Marktrendite ins Hintertreffen gerät.
3 Bereiche, in denen uns unsere Emotionen einen Strich durch die Rendite machen
1. Eingetrübte Informationswahrnehmung
Wir leben im Informationszeitalter. Das bedeutet der Zugang und die Verfügbarkeit von anlagerelevanten Informationen ist so einfach wie nie. Andererseits kann ein Privatanleger vor einer Investitionsentscheidung die pure Fülle an Quellen gar nicht komplett würdigen. Wir neigen daher zu selektiver Wahrnehmung. Wir neigen dazu Informationen, die eher unserer Meinung entsprechen, überzubewerten. Wenn ich BMW Autos schon immer schick fand und mit dem Kauf von BMW-Aktien liebäugle, werde ich positive Unternehmensnachrichten eher beachten als negative.
Ein weiterer Punkt ist das Framing. So kann die Art und Weise sowie die Abfolge in der einem Informationen präsentiert werden, Einfluss auf deren Gewichtung haben. Hat man sich erstmal eine Meinung zu einer Investitionsopportunität gebildet, so können nachfolgende Informationen diese Meinung nur noch schwerer ändern. Ebenso neigen Menschen dazu Autoritätenmeinungen anzunehmen. Wenn ein vermeintlicher Börsenguru eine bestimmte Aktie empfiehlt, werden viele Anleger diese Empfehlung für bare Münze nehmen.
2. Fehlerhafte Verarbeitung von Information
Sobald erstmal Informationen, die in die Anlageentscheidung einfließen, gefiltert worden sind, können unsere Emotionen deren Verarbeitung beeinflussen. So neigen Menschen gerade bei einer Vielzahl an komplexen Informationen zur Vereinfachung. Dadurch können komplex erscheinende Informationen vernachlässigt werden. Ein weiterer Effekt ist der sogenannte „Anchor-Effekt“ (oder auch Ankereffekt für Liebhaber der deutschen Sprachkultur). Dieser beschreibt den Effekt, dass wir uns bei der Bewertung von neuen Informationen häufig an der Vergangenheit orientieren. Eine einmal getroffene Einschätzung wird nur ungerne revidiert. Ebenso sind unsere Entscheidungen mit Erfahrungen aus der Vergangenheit „verankert“. Wir sind so nur selten in der Lage vollkommen uneingenommen zu urteilen.
Eine sehr menschliche Emotion ist die Verlustaversion. Ein finanzieller Verlust beeinflusst einen emotional stärker als ein Gewinn in der gleichen Höhe. So fällt es vielen Anlegern auch schwer sich von Aktien zu trennen, die seit Jahren in roter Farbe im Depot erscheinen. Auch wenn es sinnvolle Alternativen für das Geld gäbe. Durch den Verkauf würde man den Verlust realisieren und das tut weh.
3. Emotionale Entscheidungen
Für mich die interessanteste Kategorie. Hier ist zunächst das Overconfidence (Selbstüberschätzungs-) Phänomen zu nennen. Viele Anleger glauben eine unterbewertete Aktie identifiziert zu haben. „Die ist seit 3 Monaten nur am fallen. Der Boden muss jetzt erreicht sein und sie geht bestimmt bald durch die Decke“. Je stärker unsere Einschätzung, desto eher neigen wir dazu abweichende Informationen zu ignorieren. Am schlimmsten kommt es, wenn ein solcher Anleger mehrere Male in Folge Recht behält. Das Selbstbewusstsein in seine Stock-Picking Fähigkeiten wächst ins unermessliche. Der maßgeschneiderte Nadelstreifenanzug hängt schon im Schrank. Der ETF-Langweiler wird verlacht. Immer mehr Geld wird investiert….Und dann stellt sich heraus: Es war doch nur Glück. Krake Paul war halt auch ein Wunder, bis sie einmal falsch lag. Danach war Paul nur noch ein Tintenfischring. Don’t be like Paul.
Der Dispositionseffekt beschreibt die emotional unterschiedliche Haltung zu Gewinnen und Verlusten. Gewinne werden häufig zu früh realisiert und Aktien im roten Bereich nicht verkauft um keine Verluste zu realisieren.
Sehr passend für viele, insbesondere deutsche, Sparer ist das Regret Avoidance Phänomen. Werden die potenziellen Auswirkungen einer Entscheidung als risikoreich oder nicht absehbar empfunden, wird sich gerne vor einer Entscheidung gedrückt. Bevor man eine falsche Entscheidung trifft, trifft man lieber gar keine. Das gilt selbst dann, wenn die potenziell negativen Auswirkungen durch die Untätigkeit die der Entscheidung entsprechen. Viele Menschen schieben das Sparen und wichtige Investitionsentscheidungen daher ewig vor sich her. Oder sie geben die Auswahl an einen Anlageberater weiter, um schlussendlich nicht selber „schuld“ an den Auswirkungen zu sein.
Was uns Behavioral Finance auf dem Weg zum Fyou Money bringt
Das war nur ein winziger Ausschnitt aus dem Bereich der Behavioral Finance. Ich finde das Thema super spannend und werde in der Zukunft immer mal wieder Artikel dazu schreiben. Schon heute konnten wir einiges für den Aufbau unseres Fyou Moneys von dem Ausflug in die Wissenschaft mitnehmen. So sagt die Theorie der effizienten Märkte zunächst aus, dass die komplizierte Suche nach „Gewinner-Aktien“ aussichtslos ist, da alle verfügbaren Informationen bereits in den Kursen enthalten sind. Das lässt Stock-Picking als sinnlos erscheinen. Allerdings hat die Theorie auch etwas beruhigendes: Als Privatanleger muss man nicht ewig viel Zeit in Geschäftsberichten verschwenden. Die Börse spiegelt stets den fairen Preis eines Wertpapiers wider. Auch das „Timing“ einer Investition ist nicht nötig, da niemand in die Zukunft blicken kann. Ein „Auf“ ist damit genauso wahrscheinlich wie ein „Ab“.
Die der Theorie der effizienten Märkte inhärente Annahme rationaler Investoren ist nicht unumstritten. Behavioral Finance deckt typisch menschliche Verhaltensmuster auf, die Investoren eher als irrational erscheinen lassen. Das kann in einigen Fällen sogar zu Marktanomalien und Überreaktionen (Brexit?) führen. Doch empirisch konnte nicht belegt werden, dass diese sich systematisch dauerhaft ausnutzen lassen. Viel mehr führen sie zur Auswahl von Aktien auf der Grundlage eines irrationalen Entscheidungsprozesses.
Als Fazit bleibt für mich eines: Weder Stock Picking noch das Investieren in aktiv verwaltete Fonds macht für mich Sinn. Weder die in die Jahre gekommene Theorie von Fama, noch moderne Anpassungen sprechen dafür. Daher ist das Mittel der Wahl für den Aufbau unseres Fyou Money noch immer das passive Investieren mittels ETFs. Wenn ich einzelne Aktien kaufe, so bin ich mir bewusst, dass ich gerade zocke. Ich mache mir dabei bewusst, wie ich die Entscheidung zum Kauf getroffen habe. Kaufe ich die Aktie vielleicht nur, weil ich das Unternehmen sexy finde?
Wie sieht’s bei dir aus? Erkennst du dich in den Mustern der Behavioral Finance wieder? Hast du auch schon mal eine Anlageentscheidung getroffen, die du heute als zu emotional bezeichnen würdest?
Cheers!
Wer etwas tiefer ins Thema einsteigen möchte dem seien folgende Seiten ans Herz gelegt:
Das war mal einer der besten Finanzblogartikel, der letzten Wochen. Gerne mehr von wirtschaftswissenschaftlichen und psychologischen Hintergründen.
Besten Dank, freut mich sehr! Ich plane in der Tat mehr zu diesem super spannenden Thema zu schreiben.