Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit bewerbe ich mich auf eine Stelle in der Redaktion der „Börse im Ersten“.
Seit Jahren bin ich treuer Fan Ihrer Reihe „Börse vor Acht“, die uns Deutschen jeden Abend einen Hauch Kapitalismus von den Börsen dieser Welt in das heimische Wohnzimmer bringt. Schon als kleiner Junge saß ich gespannt vor’m Fernseher, wenn Ihre Moderatoren live aus Frankfurt berichteten. Was heute wohl an den Märkten passiert ist? Und vor allem: Was haben Ihre Experten für Erklärungen dafür?
Meine Freunde hatten Poster von Lothar Matthäus und dem „Undertaker“ an der Wand. Bei mir war es ein Poster von Anja Kohl. Ein Sonderdruck, nachdem sich die „Bravo“ trotz mehrfacher Leserbriefe geweigert hatte ein Poster von Anja als Heftbeilage zu drucken. Welch Bärendienst die „Bravo“ damit der Aktienkultur in Deutschland geleistet hat. Man überlege nur, wie viele junge Investoren wir in Deutschland haben könnten, hätte die „Bravo“ Anja Kohl zum Teenie-Idol gemacht. Traurig!
Doch Ihrer Sendung kann man in dieser Beziehung wahrlich keinen Vorwurf machen. Als Leuchtturm in der Dunkelheit, bildeten Sie stets sowohl Speerspitze als auch Begleitwagen für den deutschen Privatanleger. Wenn mein Muster-Depot (sorry, trotz mehrfacher Beschwerden keine reichen Eltern gehabt) tagsüber einmal baden ging und ich nicht wusste weshalb, nagte dies an meinen Nerven. Nichts ist schlimmer als Ungewissheit. Doch eines hielt mich stets auf Kurs: Das Wissen, dass pünktlich um 19:55 Uhr mein Irren und Wirren ein Ende nehmen würde. Denn dann würde Stefan Wolff, ein Musterbild an Seriosität und Vertrauen, das Mikrofon in die Hand nehmen und uns das Geschehene erläutern. Oder aber Ellen Wagenknecht betritt die Bühne. Jene Galionsfigur der deutschen Börsenszene, die mal die wunderschöne Aussage traf: „Wie das Leben, so fordert auch die Börse Verstand und Gefühl. Wie im Leben siegt auch an der Börse mal Rationalität, mal Emotion. Das macht die Börse zugleich einfach und schwer – und bei alledem stets so reizvoll – wie das Leben.“ Wenn sowas einen das Herz nicht höher schlagen lässt, dann weiß ich ja auch nicht.
Trotz der langjährigen Tradition Ihrer Sendung, ist das Format keineswegs eingestaubt. Im Neuland der sozialen Medien mischen Sie seit jeher mit. Vor allem der Twitter-Account versorgt Anleger stets mit blitzgescheiten Analysen des Geschehenen. So vergangene Woche erst: „Nach zwei kleinen Minustagen hat sich der #Dax am Freitag wieder ins Plus gekämpft – dank der freundlichen Wall Street. Auf Wochensicht kam er kaum voran. #Zinssorgen bremsten ihn immer weder aus.“ Ah, ha! Wall Street und Zinssorgen! Wer hätte das gedacht! Ich die ganze Woche nur so: „Hä, wtf?!“ Aber jetzt wusste ich Bescheid. Es lag an der Wall Street und an den Zinsen. Diese gottverdammten Zinsen. Erklärungen und Analysen beruhigen das Gemüt des Investors. Nichts ist schlimmer als Ungewissheit.
Oder am Tag zuvor, Donnerstag, ich hatte wieder keine Ahnung was los war. Doch dann endlich das Twitter-Update: „Auftrieb kam von der Wall Street. Dort schwächten sich die #Zinssorgen ab.“ Puh, die Wall-Street und die Zinsen. Endlich eine stichhaltige Erklärung für das Geschehene. Es war aber auch eine spannende Woche. Zwischendurch dachte ich mir nur so: „Alter, versuchen es die 30 Unternehmen im DAX überhaupt?!“. Doch dann kam euer Tweet rein: „#Dax gibt sich Mühe“ – Oh, okay. Da bin ich aber beruhigt. Immerhin gibt der DAX sich Mühe. Das Mindeste, was man erwarten kann. Überhaupt scheint der DAX dieser Tage sehr umtriebig zu sein. Tweets vom 22. Februar: „Der Dax zeigt Stärke“, „#Dax sucht frische Impulse.“ Doch dann der Hiobs-Tweet: „#Dax: #Anleger müssen alleine klarkommen.“ – Chill mal, DAX, sei nicht so’ne Diva.
#Dax gibt sich Mühe https://t.co/jfLfkxZ3TF
— Börse ARD (@boerseARD) 21. Februar 2018
Long Story short: Ich bewundere Ihre Arbeit und möchte ein Teil davon werden. Dem deutschen Kleinanleger ein Leuchtfeuer sein, mit Verstand und Humor – Das ist nicht nur Beruf, das ist Berufung!
Da ich etwas kamerascheu bin und auch kein Knauff-Edelweiss-Lächeln mitbringe, wäre ich an einer Stelle in Ihrem Social-Media Team, Abteilung Twitter interessiert. Ich bin mir natürlich bewusst, dass dies ein beliebter Job ist und Sie daher bei der Flut an Bewerbungen, die Sie tagtäglich erreichen, zunächst die Spreu vom Weizen trennen müssen. Um mein Talent für professionelle Börsenberichterstattung über Twitter darzulegen, habe ich ein paar Beispiel-Tweets vorbereitet. Mein Ziel ist es einen Art Twitter-Baukasten für Börsennews zu entwickeln. In Zeiten der Digitalisierung, muss auch die Börse vor Acht sich immer wieder neu erfinden. Mein Twitter-Tool bietet die Antwort auf die Challenges des Web 4.0: Börsennachrichten, schnell, immer präzise und unverkennbar ARD-Style. Die Technologie dafür basiert selbstverständlich auf der Blockchain.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung. Sagen wir, der DAX startet mit einem Plus von 0,5 % in den Handel. Noch bevor die Konkurrenz reagieren kann, twittert die Börse im ARD bereits:
-> ein automatisch generierter Tweet, der alles abdeckt: Bestechender Humor (wegen DAX=Dachs, so ein Tier welches in einem höhlenähnlichen Gebilde, gelegentlich als „Bau“ referenziert, wohnt – clever, gell?!), schnelle Information zum Geschehen und gleich eine Erklärung, die nie falsch ist.
Bei einer Marktkorrektur, wie vor zwei Wochen, bietet sich folgendes Schmankerl an:
->Ach, welch unentdecktes Potenzial doch Dachs-Analogien bieten! Die Blockchain macht’s möglich. Ich würde an dieser Stelle allerdings von der ARD Fachabteilung „Flora und Fauna“ kurz gegenchecken lassen, inwieweit Dachse tatsächlich Dämme bauen. Aber letztendlich gilt: Dachs oder Bieber, was interessiert’s den deutschen Sparer.
Eine der größten Herausforderungen für Börsen-News sind die Zeiten in denen echt nichts passiert. Vor allem das nervige Wochenende. Da sind die Börsen einfach zu. Doch man möchte natürlich nicht, dass die lieben Leser jetzt auf Netflix oder gar Fussball umsteigen. Jetzt gilt es am Ball zu bleiben. Mit Analyse-Evergreens und Market-Insights:
-> So etwas hält die Spannung aufrecht und sorgt für loyale Leser.
Anyways, wo das herkommt, wartet noch einiges mehr. Über die Chance, Ihrer großartigen Redaktion dabei zu helfen, mittels meinen treffsicheren und äußerst humorvollen Analysen, sowie der Blockchain-Technologie den Sprung auf das nächste Level zu meistern, würde ich mich sehr freuen.
Ansonsten sind meine Stärken natürlich, dass ich sehr teamfähig bin und sehr motiviert. Meine einzige Schwäche ist, dass ich einfach zu viel möchte und mich daher hin und wieder selber bremsen muss.
Über Ihren Anruf würde ich mich sehr freuen!
Cheers.
Börse im Ersten, immer. https://t.co/oKiMErTRyh
— fyoumoney.de (@fyoumoneyDE) 6. Februar 2018
Hi Pascal,
du hast als Schwäche deinen Perfektionismus vergessen.
Gute Idee mit dem Brief, auch wenn ich die Show tatsächlich nicht kenne. Meld dich dann mal, ab wann du die neue Stelle antrittst. Dass du genommen wirst, bezweifle ich nicht.
Hiho,
wenn das mit der Social-Media-Abteilung nicht klappt, kommt vielleicht ein Pöstchen als Gag-Schreiber ala Schlußkommentar von Frank Lehmann in Betracht. Legendär 😉
Ich drück dir die Daumen!
Gruß Tugumak
Sollte klappen.
Denn werden zwar die Tweets besser aber der Quatsch im TV bleibt weiterhin unbrauchbar!
Drücke trotzdem die Daumen, dass du eine Chance bekommst 🙂
Wichtig ist auch so gut wie ausschliesslich über den DAX zu berichten. Der Home-Bias des uninormierten Kleinanlegers soll schliesslich gestärkt werden.
Wo siehst du dich in 5 Jahren?
Ansonsten gilt wie so oft:
Der letzte Enabler hat ja einen super Elevator-Pitch hingelegt, aber ohne Blockchain sehe ich da keine scalability
Ein kurzer Ausschnitt aus dem Marktbericht von heute dem 28.02. auf boerse.ARD.de:
“ […] der Dax fiel mit der Wall Street im späten Geschäft unerwartet deutlich zurück.“
Weiter heißt es:
„Offensichtlich sitzen die Zinsängste tief, nachdem der neue Fed-Chef Jerome Powell klar gemacht hatte, dass die Notenbank handeln werde, wenn die Inflation anziehen sollte.“
Gib es zu! Deine Bewerbung war erfolgreich und Du hast die Stelle schon angetreten.
Nein, nein! Ich glaube, er wurde bei „Wallstreet online“ angenommen.
Schlagzeilen von heute, 1.3.2018:
„Aktien New York – Leichtes Minus – Sorge vor raschen Leitzinserhöhungen hält an“
„Aktien Frankfurt – Zinssorgen schicken den deutschen Aktienmarkt auf Talfahrt“
Ich muss jetzt immer an diesen Blogpost denken, wenn ich sowas lese und sehr lachen.
Megageil geschrieben 🙂 vielen Dank für diese Initiativbewerbung – genau mein Humor. …Lothar Matthäus, …Undertaker, …Bravo, Genial 🙂
Gerne mehr davon
Viele Grüße,
Vielen Dank für das Teilen Deiner Bewerbung. Genau mein Humor.
Was ich mich immer frage, glauben diese Leute eigentlich das, was sie da erzählen?
Ich fände es ja bedenklich, wenn sie es wirklich glaubten. Dieses Gefasel mit luftigen Pseudobegründungen und -erklärungen gehört in das Reich dessen, was mal jemand „Investmentpornografie“ genannt hat.
Traurig und völlig fehlgeleitet ist aber der Ansatz, damit den Menschen das Geschehen und Funktionieren der Aktienmärkte verständlich zu machen und nahe zu bringen.
Das kann doch nur schiefgehen. Dabei wäre es wirklich nicht schwer, die wirklichen Vorgänge zu beschreiben und zu erläutern. Aber das ginge eben nicht in dreieinhalb Minuten Geplauder.
Aber die „Bewerbung“ ist trotzdem schöön…
Hast du die Bewerbung auch wirklich losgeschickt oder nur hier veröffentlicht?
Ob die die Kritik verstehen würden? Letztendlich muss denen ja auch mal jemand sagen wie blöd die Sendung ist, sonst ändert sich nix!
„Musterbild an Seriosität“ – „Gallionsfigur der Börsenszene“ – absolut großartig! Lange nicht so viel Freude mit einem Blog-Artikel gehabt 🙂
Beste Bewerbung aller Zeiten! Hilariuos, lache mich immer noch weg.
Danke dafür. 🙂
LG
Benjamin
*hilarious