Was dich dein Vanilla Latte wirklich kostet – Die Macht des Zinseszins

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Wie Zinseszinsen unsere Konsumentscheidungen beeinflussen (sollten).

Zinseszins

„Die größte Erfindung des menschlichen Geistes? – Die Zinseszinsen!“ – Albert Einstein

Stellen wir uns einmal folgende (sehr alltägliche) Situation vor: Anna, 25 Jahre, kommt gerade frisch aus der Uni und hat ihren ersten Job gelandet. Sie macht anständige 2.000 Euro netto im Monat. So viel Geld hatte sie monatlich noch nie zur Verfügung. Leider muss sie dafür allerdings jetzt früher aus dem Bett, das bunte Studentenleben scheint vorbei. Ihr Chef erwartet von ihr, dass sie pünktlich um 8:30 Uhr vor ihrem Rechner sitzt und famose Excel-Tabellen erstellt.

Anna ist kein Morgenmensch, sie ist morgens müde und möchte am liebsten wieder ins Bett. Was hilft da? Klar, Kaffee! Auf dem Weg zur Arbeit gibt es da glücklicherweise auch mehrere Gelegenheiten um sich ein Heißgetränk „to go“ zu ordern. Der eine oder andere Anbieter schreibt sogar ihren Namen auf den Pappbecher! So individuell!

Anna ist ein normaler Filterkaffee am Morgen zu bitter. Ihr neues Lieblingsgetränk für die morgendlichen Stunden ist eine Mischung aus Milch, Espresso und mit einem Spritzer Vanille Syrup. Das ganze läuft unter dem Namen „Vanilla Latte“ und kostet Anna 3,70 Euro für einen kleinen Becher. Das dieser als „tall“ bezeichnet wird, macht ihn leider auch nicht voller. Anna gönnt sich ihren Latte viermal in der Woche, schließlich „geht ohne Kaffee gar nichts“. Den Preis empfindet sie zwar nicht als Geschenk aber guter Kaffee kostet nun einmal und bei 2.000 Euro netto kann sich das ja wohl auch locker leisten.

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Kann sich Anna ihren Vanilla Latte wirklich leisten, bzw. sollte sie?

Um diese Frage zu beantworten machen wir zunächst einen kleinen Umweg über die Mathematik der 9.ten Klasse. Bitte flüchte nicht gleich von dieser Seite, ich werde es sehr kurz und schmerzlos halten. Und niemand muss an die Tafel. Versprochen.

Wir wollen uns mit dem Zinseszins beschäftigen. Zinseszins ist Zins, der auf kapitalisierte Zinsen vergangener Perioden berechnet wird. Also, wenn ich 1.000 Euro zu 5% angelegt habe, bekomme ich im ersten Jahr 50 Euro Zinsen. Diese füge ich sofort wieder meiner Investition zu. Im darauffolgenden Jahr bekomme ich wieder meine 1.000 Euro verzinst aber zusätzlich bekomme ich auch die 50 Euro Zinsen aus dem Vorjahr verzinst. Insgesamt erhalte ich jetzt 52,50 Euro. Diese füge ich erneut meiner Anlagesumme hinzu und so weiter und so fort.

In einer Formel ausgedrückt, sieht das wie folgt aus:

zinseszinsformel Kn ist das Endkapital nach n Perioden, K0 ist das Anfangskapital, p der Zinssatz (Rendite) und n die Perioden.

Unser Endkapital hängt also von 3 Faktoren ab: Dem Investment, der Rendite und dem Zeitraum.

Was die meisten Menschen dabei unterschätzen, ist der Einfluss von Zeit und Rendite. Durch Zinseszinsen steigt das Vermögen nämlich exponentiell. Und exponentielles Wachstum über einen gewissen Zeitraum, ist wahrlich atemberaubend.

Ich habe vor kurzem einen Vortrag von Prof. Christian Bauckhage vom Frauenhofer Institut gehört. Herr Professor Bauckhage hat mit der Finanzwissenschaft eigentlich wenig am Hut, sondern ist Professor für Medieninformatik. In seinem Vortrag ging es um Wandel in der Informatik und die Digitalisierung. Aber was mich wirklich faszinierte, waren seine Ausführungen zur Exponentialfunktion. Seiner Meinung, ist eine der größten Hürden der Menschheit, dass wir die Exponentialfunktion und ihre Implikationen nicht richtig verstehen. Deshalb unterschätzen wir regelmäßig, welche (technologischen) Entwicklungen die nächsten Jahre mit sich bringen werden. Insbesondere das Tempo des Wandels wird systematisch unterschätzt. Das menschliche Gehirn ist eher darauf ausgelegt, lineare Zusammenhänge zu verstehen. Exponentielles Wachstum liegt häufig außerhalb unserer alltäglichen Vorstellungskraft.

Ich finde das kann man gut auf den Vermögensaufbau und die Haltung vieler Menschen zum Geld übertragen.

Für Anna sind die 3,70 Euro für ihren Vanilla Latte nicht viel, verdient sie doch genug Geld. Doch Anna übersieht dabei, was die wahren Kosten sind.

Nehmen wir an, Anna behält ihren Job 5 Jahre lang und zieht ihre Gewohnheit weiter durch. Über den gesamten Zeitraum wird sie 3.552 Euro für Kaffee ausgegeben haben. Das ist zwar schon ein anständiges Sümmchen aber nicht der Punkt.

Schauen wir uns an, was aus ihrem Geld geworden wäre, hätte sie monatlich zu 8% angelegt: Anna hätte nach 5 Jahren eine Summe von 4.348,23 Euro zur Verfügung. Das bedeutet über die 5 Jahre gesehen, hat sie ein Vanilla Latte nicht 3,70 Euro gekostet, sondern 4,30 Euro.

Damit aber nicht genug. Hätte sie über die 5 Jahre keine Vanilla Lattes genossen, so könnten die gesparten 4.348,23 Euro jetzt für sie arbeiten. Nach 5 Jahren ist Anna 30 Jahre alt. Stellen wir uns vor, sie würde die ersparten 4,348,23 Euro jetzt zu 8% investiert lassen und bis zu ihrer Rente in 35 Jahren nicht mehr anfassen aber auch keinen einzigen weiteren Euro hinzufügen. Mit 65 Jahren stünden ihr so 64.290 Euro zur Verfügung. Einzig und allein aus der Tatsache, dass sie 5 Jahre lang keinen Vanilla Latte getrunken hat.

So gesehen, hat Anna jeder Vanilla Latte 66,97 Euro gekostet. Kein Schnäppchen, oder?

Ein weiterer Punkt ist ebenso interessant: Sagen wir Anna hat nach 5 Jahren keine Lust mehr auf Vanilla Lattes und entschließt sich den Betrag bis zur Rente immer anzulegen (während die Anna, die bis 30 keine Lattes getrunken hat, nichts mehr hinzufügt, sondern jetzt munter Kaffee trinkt). Nach 35 Jahren hätte Anna so 127.718 Euro erspart.

Das ist mehr als die Anna, die keinen Kaffee zwischen 25 und 30 getrunken hat. ABER während die kaffeelose Anna 3.552 Euro eingezahlt hat und dann 35 Jahre Vanilla Lattes getrunken hat, hat die Kaffee-Anna 24.864 Euro eingezahlt und nur 5 Jahre Kaffee getrunken.

Im Ergebnis hat die Anna, die zwischen 25 und 30 viele Vanilla Lattes getrunken hat, zwar das doppelte raus aber hat dafür das 7-fache investiert. Die Zeit hat beim exponentiellen Wachstum also extreme Power.

Würde Anna sogar niemals Vanille Lattes kaufen und den Betrag stattdessen 40 Jahre lang investieren, so hätte sie mit 65 Jahren 192.000 Euro zur Verfügung.

Das Wunder des exponentiellen Wachstums

Wunder des Zinseszins

Das Ergebnis ist erstaunlich, oder? Der Zinseszins führt zu exponentiellem Wachstum und das hat über die Zeit extreme Auswirkungen auf unser Vermögen.

Es geht nicht darum, sich nie einen Vanilla Latte oder was auch immer zu gönnen. Das gehört zu einem guten Leben dazu. Aber den Zinseszinseffekt und das damit verbundene exponentielle Wachstum sollte man versuchen zu verinnerlichen und folgende Dinge beachten:

  1. Time is your friend – beim langfristigen Investieren ist Zeit dein Verbündeter und bester Freund. Siehst du wie in der Grafik oben die Kurven steigen? Sie tun das am Anfang nur langsam und werden dann immer steiler. In den späteren Jahren lässt sich dann eine enorme Kapitalmehrung beobachten. Das ist das exponentielle Wachstum des Zinseszins, das so viele Menschen nicht beachten. Das lehrt uns: Fang früh an zu sparen. Auch wenn es geringe Beträge sind, FANG AN! Lies dir das Beispiel von Anna oben nochmal genau durch: Die Enthaltsamkeit zwischen 25 und 30 Jahren hatte einen viel größeren Effekt als zwischen 30 und 65 Jahren. Das liegt ganz einfach daran, dass das Geld mehr Zeit hatte zu arbeiten.
  2. Sei dir des wahren Preises deines Lebensstils bewusst – durchleuchte gnadenlos deine täglichen Ausgaben. Die Schachtel Zigaretten kannst du dir problemlos leisten? Vielleicht, aber gilt das auch auf lange Sicht? Mach dir bewusst, welche finanziellen Auswirkungen deine Gewohnheiten auf lange Sicht haben. Was du heute für Konsum ausgibst, kann morgen für dich nicht arbeiten.
  3. Rendite ist wichtig – Aus den Ausführungen zu schließen, dass Zeit der einzige Faktor wäre, ist falsch. Die unterstellte Rendite beeinflusst das Ergebnis enorm. Wenn du also noch immer Bedenken hast, ob der Kapitalmarkt das richtige für dich ist, rechne obiges Beispiel nochmal mit den Zinsen durch, die du auf dein Tagesgeldkonto erhälst. Ja, ernüchternd.

 

Was sind deine Gedanken und Ideen dazu? Hinterlasse gerne einen Kommentar!

Cheers.

 

5 Kommentare

  1. Besser spät als nie: Im Artikel steht „vom Frauenhofer Institut“. DAS Fraunhofer Institut gibt es aber gar nicht. Die Fraunhofer Gesellschaft ist ein Verbund aus >70 Instituten mit ganz unterschiedlichen Forschungsthemen. Jemand, der bei der FhG arbeitet bekommt bei der Formulierung Pusteln. Pro-Tip: Immer das konkrete Institut benennen. 😀 Das zusätzliche E im Namen tut übrigens auch nicht Not, obwohl es in den Naturwissenschaften noch immer zu wenig Frauen gibt.
    Und damit ich nicht nur mecker, sage ich auch noch danke für den Artikel. Damit quäle ich später meine Kinder wenn sie nach Frappuchino schreien. 🙂

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