Der Privatier (seines Zeichens mit 56 Jahren in den freiwilligen Ruhestand gegangen) ruft zur Blogparade zum Thema „Freiheit oder Langeweile?“ auf. Er möchte wissen, warum andere Blogger die finanzielle Freiheit (bei mir wohl: mindestens Fyou Level 2) anstreben, wie sie es angehen und vor allem was danach kommt. Ist das Erreichen der finanziellen Freiheit eines dieser Ziele, nach dessen Erreichen man in ein tiefes Loch fällt? Wie bei einem Olympia-Sieger, der sein ganzes Leben dem Gewinn der Goldmedaille untergeordnet hat und danach orientierungslos ist? Was soll man denn den ganzen Tag ohne Arbeit machen? Vergammelt man? Brauch der Mensch von Natur aus den Zwang zur Arbeit?
Was ist eine Blogparade?
Da es meine erste Teilnahme an einer Blogparade ist, möchte ich kurz über deren Sinn aufklären. Das Prinzip ist simpel: Ein Initiator (also hier der Privatier) ruft zu Beiträgen zu einem bestimmten Thema auf. Daraufhin beteiligen sich viele unterschiedliche Blogger und geben ihren Senf zum Thema ab. Zum Schluss hat man eine bunte Mischung an Meinungen und Eindrücken. Und kann vermutlich viel lernen. Also ein schönes Konzept.
Freiheit oder Langeweile?
Als ich die Fragestellung der Blogparade „Freiheit oder Langeweile?“ das erst mal las, kam mir zunächst der Gedanke: „Was ist das denn für eine Frage?“.
Wie kann denn Freiheit jemals langweilig sein? Was sagt das über einen Menschen oder gar eine Gesellschaft aus, wenn wir die Freiheit aus Angst vor Langeweile fürchten? Brauchen Menschen denn den Zwang zur Arbeit, um nicht zu vergammeln?
Ist das vielbesungene „Hamsterrad“ vielleicht sogar eher Segen als Bürde?
Immerhin macht ein „Nine to Five“ Job auch einiges einfacher: Man hat ein regelmäßiges Einkommen, ist unter der Woche gut beschäftigt und schafft abends noch das „Heute Journal“ zu gucken. Am Wochenende geht man dann seinen Hobbies nach und bevor man sich zu viele Gedanken macht oder gar Langeweile aufkommt, ist auch schon wieder Montag. Das Schöne daran ist: Der Job bietet auch eine tolle Ausrede um seine Träume und Ziele immer wieder aufzuschieben; „keine Zeit halt“. Irgendwann nimmt man sich ganz bestimmt die ersehnte Auszeit und wandert drei Monate durch Südamerika, irgendwann schreibt man seinen eigenen Roman, irgendwann beschäftigt man sich wieder mit seiner Passion. Aus irgendwann wird dann schnell die Rente. Wenn man einige Leute so reden hört, ähnelt das Rentenalter scheinbar dem Paradies auf Erden. Alle aufgeschobenen Sehnsüchte und Hobbies liegen dort und warten nur, bis ihr Besitzer endlich das 67ste Lebensjahr vollendet hat. Einmal im ersehnten Rentenalter angekommen werden leider viele Menschen feststellen: 1. Wo ist eigentlich diese üppige Rente, die meine (Groß-) Eltern bekamen? und 2. Was waren nochmal meine Träume und meine Leidenschaft? Wofür habe ich gebrannt als ich 30 oder 50 Jahre alt war? Für was stehe ich, was begeistert mich und was wollte ich in meinem Leben eigentlich unbedingt mal erreichen?
Ja, wenn Träume und Passionen nicht gepflegt, sondern aufgeschoben werden, verkommen sie. Sie verblassen, werden als unrealistisch abgestempelt und verschwinden irgendwann. Wer sich nie die Zeit nimmt oder keine „hat“, stumpft ab. Ein solcher Mensch wird vielleicht einmal die finanzielle Freiheit oder das Rentenalter erreichen und sich darüber freuen. Und dann kommt die Frage: „Und jetzt?“.
Finanzielle Freiheit ist ein Prozess, der im Kopf beginnt und im Depot endet
Ich strebe die finanzielle Freiheit nicht an, weil ich meinen Job hasse sondern weil ich mein Leben liebe. Ich mag meinen Beruf. Er ist interessant, abwechslungsreich und ich habe viele nette Kollegen. Aber weißt du was ich noch viel mehr mag? Meine wahren Träume, Ziele, Hobbies und Passionen.
Leider nur muss man früher oder später feststellen: Für beides wird vermutlich nicht genug Zeit sein. Die Erfüllung meiner Träume und ein Leben nach meinen eigenen Vorstellungen erfordert Zeit. Mehr Zeit, als mir ein Vollzeitjob bis 67 bietet. Ich wachse gerne als Mensch, lese dazu viel und beschäftige mich mit meinen Gedanken. Dazu habe ich viele Hobbies, betreibe passioniert Sport und reise gerne. Ich schreibe unglaublich gerne diesen Blog und arbeite an neuen Ideen. Ich interessiere mich für das Thema Entrepreneurship. Dazu kommen Freunde und Familie. Wochenenden und 28 Tage Urlaub im Jahr reichen nicht aus, um diese Dinge unter einen Hut zu bringen.
Wer also die finanzielle Freiheit anstrebt, um seinem gehassten Job zu entkommen, der zäumt das Pferd von hinten auf. Wer 20 Jahre auf die finanzielle Freiheit hinarbeitet, auf Dinge verzichtet und dessen Lebensinhalt seine Finanzen geworden sind, der hat ein Problem. Wenn dann nach einem halben Jahr der Frührente die Langeweile aufkommt, wird ihm (oder ihr) eines bewusst: Ich habe durch die finanzielle Freiheit nicht die nächsten 20 Jahre gewonnen, sondern die letzten 20 Jahre verloren.
Finanzielle Freiheit ist für mich kein Selbstzweck. Finanzielle Freiheit beginnt mit der Freiheit im Kopf. Sie beginnt mit der Suche nach Dingen, die einen begeistern. Nenne es einen Sinn, Zweck, Träume oder deine Passion. Egal was, finde es und beschäftige dich mit ihnen. Je mehr du dich mit ihnen beschäftigst und je klarer du dir so deine Beschäftigung bei Erreichen der finanziellen Freiheit ausmalen kannst, desto weniger relevant wird dir die Frage „Freiheit oder Langeweile?“ vorkommen.
Werde zunächst im Kopf frei und danach finanziell frei
Für mich gehört die Erkenntnis dessen, was mir echte Freude bereitet zum ersten Schritt in die Freiheit. Dazu gehört auch, sich viel mit sich selbst und seinen Vorstellungen von einem guten Leben zu beschäftigen. Ich bin sehr weit davon entfernt, eine esoterische Person zu sein, doch was bringt mir finanzielle Freiheit ohne Bewusstsein über meine Ziele und Prinzipien? Ich kann hierfür übrigens das Buch „7 habits of highly effective people“ von Stephen Covey empfehlen (auf englisch oder deutsch) wärmstens empfehlen. Für was brauche ich mehr Zeit, wenn ich mir nicht im ersten Schritt über meine Ziele und Werte im Klaren bin?
Daher ist für mich wichtig zu unterstreichen: Nähre deine Finanzen mit der gleichen Hingabe, wie du deinen Geist und deine Passionen nährst. Werde dir darüber bewusst, was du vom Leben erwartest. Lerne dich selber kennen und vergesse bei deinen finanziellen Zielen nie, dass auch deine Passionen Aufmerksamkeit benötigen.
Ich beschäftige mich gerne mit dem Thema „Vermögensaufbau“ und bin bereit hier Zeit zu investieren. Ich verzichte auch gerne auf den kleinen Luxus des Alltags um meine finanziellen Ziele zu erreichen. Doch wenn meine eigentlichen Leidenschaften nach Zeit und etwas Geld verlangen, dann bekommen sie beides. Wenn mich das ein Jahr später finanziell unabhängig machen sollte, ich dann aber genau weiß was mich glücklich macht: Sei’s drum.
Wenn du also mal wieder deinen Freunden abgesagt hast, weil Craft-Beer einfach überteuert ist, eine alte Freundin nicht zum Kaffee triffst, weil die Plörre aus Seattle überteuert ist oder lieber Kartoffelstampf vor’m Bildschirm als Lunch mit Kolleginnen isst und dich als Ausgleich abends an dem Blick in dein Depot ergötzt: In diesem Fall wird die Frage „Freiheit oder Langeweile?“ für dich noch sehr, sehr relevant werden.
Danke an den Privatier für die spannende Blogparade, ich bin auf die anderen Beiträge gespannt! Was sind eure Gedanken zum Thema?
Cheers!
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