Hätte, hätte, Fahrradkette

hätte, hätte, fahrradkette

Hätte, wenn und aber – Diese Worte gehören aus dem Wortschatz eines Anlegers gestrichen. Dennoch fallen sie fast immer, wenn man Leute über die Börse sprechen hört. Vergangenes Handeln oder Nichtstun wird bereut, man versucht Fehler zu rechtfertigen oder darzulegen warum man doch zum Sparbuch zurückkehrt.

hätte, hätte, fahrradkette

Hätte, wenn und aber, alles nur Gelabber.“ – Hermann Gerland

Letzte Woche war es dann wieder so weit. Ein ehemaliger Kollege stöhnte nach dem Aufrufen von „finanzen.net“ laut auf: „Hätte ich damals nach der Finanzkrise doch bloß nicht in Deutsche Bank Aktien investiert…Aber wer hätte schon wissen können, dass es noch tiefer geht. Wenn sich die Deutsche Bank wieder so erholt hätte, wie die Amerikanischen Banken, hätte ich ordentliche Gewinne eingefahren. Aber selbst die großen Bankhäuser und die meisten Analysten sind damals von einer signifikanten Erholung ausgegangen, was soll man da machen?“

Naja, zu allererst könntest du aufhören dein Handeln als „Investieren“ zu bezeichnen. Der Kollege, nennen wir ihn Karlo, sah die Deutsche Bank während der Finanzkrise auf vermeintlichem Ramschniveau. Karlo ging also davon aus, dass es sich um eine Marktübertreibung handeln müsse und sich die Kurse schnell wieder erholen. Soweit kein dummer Gedanke, schließlich haben wir ja bereits gelernt, dass sich der Markt in Zyklen bewegt. Nach einem Ab kommt immer auch ein Auf.

Jedoch gibt es hier eine kleine aber entscheidende Einschränkung: Die Betrachtung der Zyklen (z.B. anhand vom Ei des Kostolany) galt immer nur für die Gesamtwirtschaft. Nicht für einzelne Aktien. In meiner Definition vom Geldanlegen, investierte Karlo daher nicht, sondern er zockte. Denn bei Einzelaktien können auf ein Ab halt auch mal nur noch weitere Ab’s folgen.

Die Tatsache, dass Karlo zockte und auf eine Preisexplosion der Deutsche Bank Aktie hoffte, ist per se nichts negatives. Ich finde nur, dass man sich stets bewusst sein sollte, was man gerade kauft. Investiere ich in meinen langfristigen Vermögensaufbau oder zocke ich? Zielt mein Erwerb auf den langfristigen Aufbau meines Fyou Moneys ab oder spekuliere ich auf kurzfristige Kursgewinne? Nur wenn ich mir im Klaren darüber bin, dass sich das Investieren vom Spekulieren signifikant unterscheidet, kann ich gute Entscheidungen treffen.

Diese im Nachhinein jedoch zu vertreten fällt den meisten Menschen schwer. Ich habe das Gefühl, dass viele relativ wahllos mal hier einen ETF-Sparplan kaufen, dann da ein paar Bayer-Aktien erwerben („hab da was über Monsanto gelesen…“) und weil es gerade „in“ ist, noch Geld in P2P Kredite stecken. Jeder einzelne Punkt für sich genommen, muss nicht falsch sein. Doch zuallererst muss ein Finanzanlageplan festgelegt werden mit klaren Zielen und Distributionen, der die Grundlage meines Handeln darstellt. Braucht man Einzelaktien für den Vermögensaufbau? Ich glaube nein. Ist der Erwerb deshalb ein No Go? Ebenfalls nein. Ich kaufe auch im kleinen Maßstab Einzelaktien. Doch dann bin ich mir darüber im Klaren, dass ich gerade zocke und nicht investiere.

Und eines geht danach gar nicht: Die Benutzung der Worte hätte, wenn und aber. Karlo wünscht sich, er hätte nie in Deutsche Bank Aktien „investiert“. Doch macht das beim spekulieren Sinn? Nein. Es ist ein sinnloses Bedauern. Zum Zeitpunkt des Kaufes war die Zukunft schließlich ungewiss und ein informierter Anleger weiß, dass sich der Kurs genauso gut nach oben als auch nach unten entwickeln kann. Karlo spekulierte auf eine baldige Erholung der Kurse. Diese trat nicht ein, dafür ging es weiter bergab. Da hilft nur Wunden lecken, sich eingestehen, dass die Wette wohl erstmal verloren scheint und daraus Lehren für die Zukunft ziehen.

Übrigens, Karlo witterte Ende der Woche eine neue Chance. Spekulationen um abgezogene Mittel durch Hedgefonds drückten den Kurs der Deutschen Bank zeitweise auf unter 10 Euro. Karlo geriet in Goldgräber-Stimmung. Schließlich solle man doch kaufen, wenn Blut auf den Straßen fließt, auch wenn es das eigene ist. Doch Karlo zögerte, Anfang der Woche hatte er doch schließlich den Wunsch geäußert „Hätte ich doch bloß nie in Deutsche Bank Aktien investiert.“ Aber jetzt könne es doch nun wirklich nicht weiter runter gehen, oder?

Karlo kaufte keine neuen Aktien. Am Freitag Nachmittag sprang der Kurs dann an und am Ende des Tages stand ein Plus von über 16% zu Buche. Grund schien zu sein, dass die erwarteten Strafzahlungen wohl doch deutlich geringer ausfallen würden. Karlo war erbost! „Ich hab es dir doch gesagt. Hätte ich mal schnell Aktien bei unter 10 Euro gekauft. Da hätte ich ein ordentliches Plus gemacht…!“.

Ach Karlo…Da war schon wieder ein „Hätte“…

 

Hätte

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„Hätte“ ist wahrscheinlich der am häufigsten verwendete und gleichzeitig sinnbefreiteste Begriff beim Investieren. Wie oft hört man „hätte ich vor 10 Jahren all mein Geld in Apple-Aktien gesteckt, dann könnte ich jetzt aufhören zu arbeiten.“? Klar, wäre cool gewesen, hast du aber nicht. Und warum nicht? Weil du damals keine Glaskugel hattest. Und leider hast du eine solche heute noch immer nicht.

Der Vergangenheitsbezug macht „Hätte“ besonders sinnlos. Denn Wissen über die Vergangenheit schafft an der Börse null Rendite. Warum? Weil jeder die Vergangenheit kennt. Die Vergangenheit ist sicher und Sicherheit zahlt schlecht.

Statt entgangenen Chancen oder Fehlinvestitionen nachzutrauern, sollte man Verluste als „Sunk-Costs“ akzeptieren. Im nächsten Schritt gilt es aus seinen Fehlern zu lernen und die Situation neu einzuschätzen. Es ist weit verbreitet, Aktien zu halten, nur um sie nicht mit Verlust verkaufen zu müssen. Macht das Sinn? Jain! Es kommt auch hier darauf an, mit welcher Strategie ich sie gekauft habe. Verfolge ich einen Buy-and-hold Ansatz und habe entsprechende Aktien gekauft, so werde ich sie nicht bei Verlusten sofort abstoßen. Ebenso verkaufe ich meinen ETF auf den World MSCI nicht während einer Krise. Doch wenn ich auf das Eintreten eines bestimmten Events spekuliert habe, beispielsweise die Erholung des deutschen Bankensektors, und dies scheinbar nicht so eintritt wie ich erhofft habe, sieht es anders aus.

Das Handeln scheint im Kaufpreis „verankert“ zu sein. Doch dieser spielt nur eine emotionale Rolle. Alle verfügbaren Informationen sind jetzt in dem aktuellen Kurs eingepreist. Die Entscheidung halten oder verkaufen muss ich also anhand meiner jetzigen Einschätzung der Zukunft treffen. Die entscheidende Frage ist: „Würde ich die Aktie jetzt nochmal zum derzeitigen Kurs kaufen?“ Wenn die Antwort darauf ein zerknirschtes „F*ck no!“ ist, weißt du eigentlich selber was zu tun ist.

Unsere Liebe zu „Hätte“ ist ein weiteres Indiz dafür, warum Behavioral Finance eine solch große Rolle beim Anlegen spielt.

Wenn

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„Wenn“ ist sehr gebräuchlich unter Tagträumern. Das hört sich dann meistens so an: „Wow, wenn ich jetzt Deutsche Bank Aktien kaufe und sie wieder auf den alten Höchststand klettern, kann ich aus 1.000 Euro mal eben 10.000 Euro machen. Wie sweet ist das denn?“ Das ist sugar sweet, mein Freund. Aber was wenn die Deutsche Bank morgen zu 15 Milliarden US Dollarn Strafe verurteilt wird und übermorgen Staatshilfen beantragt? Dann hast du halt aus 1.000 Euro mal eben 100 Euro gemacht. Das ist dann Lakritze. Und ich hasse Lakritze.

„Wenn“-Überlegungen in Bezug auf Kurse anzustellen, ist sinnbefreit. Schließlich gibt es an der Börse nur faire Wetten und die Quoten lassen sich an den Kursen einfach ablesen. Ich wette schließlich auch nicht auf das dreibeinige Pferd auf der Grundlage, dass wenn es gewinnen sollte, ich einen Reibach machen würde. „Wenn“-Überlegungen machen nur bei der Einschätzung von Sachverhalten Sinn. Ich kann mir beispielsweise überlegen: Was, wenn Blockchain das nächste große Dinge wird? Welche Unternehmen profitieren davon, welche verlieren? Und wenn es so kommen sollte, wie kann ich davon profitieren? Das bleibt dann immer noch eine Wette aber eine besser begründete.

Aber

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„Aber“ hat viel mit Phänomenen der Behavioral Finance zu tun: Overconfidence, Justification und Regret. Als Investoren überschätzen wir uns gerne mal. Wer vor einem Jahr Adidas Aktien gekauft hat, sieht sich vielleicht schon als neuen Star am Investoren-Himmel. Die Dinner-Einladung von Warren Buffet erwartet man jeden Tag im Briefkasten. Und das Warten vertreibt man sich am besten, indem man die neue Wunderaktie sucht. Am interessantesten finde ich die Privatanleger, die sich die Mühe machen eigene Aktienanalysen zu erstellen. Sie vergeben dann Punkte in verschiedenen Kategorien und meinen ab einer bestimmten Punktzahl den richtigen Kandidaten für ihr Portfolio gefunden zu haben. Ihr glaubt also wirklich anhand von Monate alten Geschäftsberichten und einer hübschen Excel-Tabelle die Gewinner- von der Verliereraktie unterscheiden zu können?!

Doch zurück zum „Aber“. Dieses wird nämlich erst relevant, wenn es dann doch mal wieder nicht hingehauen hat. Dann wird es Zeit für Rechtfertigungen und Plausibilisierung der eigenen Entscheidung. Schuld sind eh immer die anderen. Äußern tut sich das beispielsweise so: „Aber niemand hätte das ahnen können. Aber mein System hat sonst immer funktioniert. Aber die Analysteneinschätzungen waren alle auf „buy“. Meine Analyse war perfekt aber dann hat die EZB alles zunichte gemacht…“

Bringen tut das alles nichts. Zu Akzeptieren, dass man kein perfektes System hat und eine Wette halt eine Wette bleibt, ist jedoch für die Meisten viel zu schwer.

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Wie sieht’s bei dir aus? Erwischst du dich auch manchmal bei einem „hätte ich mal“ Gedanken?

Cheers.

 

4 Kommentare

  1. Hallo Pascal,

    da ich nur in ETF investiere, habe ich in diesem Bereich keine „hätte“-Gedanken. Jedoch habe ich diese in Bereichen von anderen Entscheidungen. Gerade am Wochenende habe ich einen wichtigen Elfmeter in meinem Verein verschossen. Das ganze Wochenende hatte ich dann immer wieder Gedanken, was passiert wäre wenn ich den Elfmeter in die andere Ecke geschossen hätte etc.
    Leider habe ich solche Gedanken noch nicht ganz aus meinem Kopf gebannt, aber im Bereich Finanzen schon!

    Liebe Grüße
    Florian

    • Hallo Florian,

      das ist eine weise Entscheidung. Mit ruhigem Gewissen langfristig Vermögen aufbauen, ist auch mein bevorzugter Weg. Da wird einfach stur weiter gespart und so entstehen auch keine Möglichkeiten für „Hätte, wenn und aber“.
      Leider muss ich dir aber auch im zweiten Punkt recht geben. In anderen Bereichen des Lebens wird man „hätte“-Gedanken wohl nie ganz wegbekommen.

      Danke für deinen Kommentar und der nächste Elfer wird schon wieder sitze 😉

      Beste Grüße
      Pascal

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